Michèle Yves Pauty’s

ein Gespräch über Privileg

Dein Bild vom Vortag ist noch immer auf deinem Feed, Hashtag wannisteinebrusteinebrust.

Ich will uns alle in Freiheit sehen, jede*r soll sich selbst sein können, unverhüllte, unzensierte Brust auf Insta als Mindestmaß für gesellschaftliche Gleichberechtigung. Ich sehe mir dein Bild an, blicke auf deine unverhüllte, unzensierte Brust und kann nicht das gleiche Bild posten. Es wäre in Sekunden gelöscht, meine Reichweite beschnitten, bei Wiederholung mein Profil gesperrt. Es ist schwer dir zu gönnen, was die Gesellschaft mir verwehrt. Ich kann nicht ungeschehen, unerlebt machen. Auch du kannst es nicht. Diskriminierung trifft uns alle, du bist, warst, wirst nicht frei von sein.

Unsere Brüste unterscheiden sich nicht. Beide weich, nur die Erfahrungen sind andere. Zensur von außen wächst über die Jahre zu Selbstzensur. „Wir sind gewohnt uns zu schützen.“ und im Gespräch mit dir werde ich plötzlich Teil eines Wir, von dem ich mich längst losgesagt. Und du bist plötzlich nicht Teil von dem Wir, weil du nicht auf den Gedanken kommst zu schützen, was du dir so sehr ersehnst. Als ich das Foto von dir gemacht habe, hast du stolz deine Brust gezeigt.

Ich will dieses System aus mir schreiben, mich von den gesellschaftlichen Einteilungen lösen, aber ständig fallen mir alle in den Rücken, „da ist schon ein Unterschied“, „Männer und Frauen sind einfach anders“ und ich weiß nie, meinen sie biologisch oder gesellschaftlich und überhaupt, kann Identität nicht ohne diese Schubladen sein?

Wie viele Körper müssen noch durch diese Erfahrungen gehen? Die Headline einer deutschen Zeitung lautet „Junge Frauen deprimiert“, weiter im Text „Psychologen stehen vor einem Rätsel“. Es heißt, es geht uns gut. Besser als früher. Altersvorsorge, Gesundheitsvorsorge, Wohlstand, es geht uns nicht schlecht. Aber immer noch werten wir, reihen Hautfarben, Körper, Herkünfte. Es ist nicht gut. Nichts hat sich geändert an den Blicken, den Berührungen, den täglichen Übergriffen. In Österreich will eine Partei „Drag-Queen-Shows für Kinder verbieten“, Amerika titelt „Pedophilia is the next step from transgenderism“, verbietet das Wort „gay“ und medizinische Betreuung für trans Personen. Alles zusammen ist fucking patriarchy.

 

„it feels like we should all be doubled over unable to move.“ - Ama Codjoe

Am nächsten Tag löscht du das Bild von dir.
Morgen posten wir ein Bild zusammen, tauschen unsere Brustwarzen, bleiben sichtbar

Daniela Ordoñez Delgado’s translet

a conversation about privilege

Your picture is still on your feed. #wannisteinebruststeinebrust. I see it, see your breasts uncovered and uncensored. I cannot post the same picture. They’d take it down, they’d limit my reach, they’d block all of me. It’s difficult for me to grant you what I’m being denied. I can’t go back, disassemble it, make it unlived. You can’t either. The system affects all of us. You are not free either, you never have and you won't.

Our breasts now are not that different, both soft, but hold different experiences. You’ll see, censorship will become internal as the years go by, to protect yourself. We are used to having to protect and while I’m talking to you I go back to a we I had separated myself from a long time ago, and suddenly you are not part of us because you are not aware of what we are protecting. I want to break that system, erase it from me. My anger is directed at a system where everyone is playing their part, stabbing me in the back. They claim “differences”. Can’t identities exist without boxes? But is all the same the puto, fucked patriarchy. ¿How many more bodies?

“Seems like we should all be bent, unable to move”. Ama Codjoe.

The next day, you erase your picture.
Tomorrow, we’ll post a picture together, swapping our nipples.
We will be visible.